Sonntag, 4. Oktober 2009

Football und Kapitalismus

So mag ich meinen Sonntag : morgens Gottesdienst, mittags essen gehen, und dann nachmittags auf dem Sofa liegen, Brownies (Schokoladenkuchen) essen und Football gucken. Da kann ich auch mit dem frühen Aufstehen leben. Ich konnte heute morgen sogar etwas länger schlafen (bis 6:00 Uhr), da ich schon eine ganze Menge für den Gottesdienst am Freitag vorbereitet hatte, und auch nicht nochmal durch eine Predigt gehen musste. Ein Mitarbeiter aus dem Kirchenamt hat uns heute zum einjährigen Geburtstag unseres zweiten Gemeindestandortes besucht und netterweise auch die Predigt übernommen. Naja, eigentlich ist der Geburtstag erst morgen (5. Oktober), aber so eng sehen wir das nicht. Danach gab es wie üblich Kaffee und Kuchen.

Der Sonntag wäre perfekt, wenn die Detroit Lions auch noch gewonnen hätten. Aber nein, sie haben 21 zu 48 gegen die Chicago Bears verloren. Dabei sah am Anfang alles ganz gut aus. In der ersten Hälfte haben sie sich wirklich gut geschlagen und sind dann mit 21 zu 21 unentschieden in die Halbzeitpause gegangen. Das dritte und vierte Viertel waren dann aber eine Katastrophe. Da war es dann auch nicht so schlimm, dass ich zwischendurch auf dem Sofa eingenickt bin.

Letzten Sonntag HABEN die Lions gewonnen, aber erstens war ich krank und zweitens wurde das Spiel sowieso nicht im Fernsehen übertragen. So ein Ärger. Da gewinnen die Lions mal und ich kann mir das Spiel nicht ansehen.
Eigentlich sollte man meinen, dass eine Stadt, in der die Arbeitslosenrate bei fast 29% liegt, wenigstens ein gutes Footballteam haben sollte. Aber nein. Die Detroit Lions sind die schlechteste Mannschaft in der NFL. Letzte Woche haben sie ihren ersten Sieg nach fast zwei Jahren eingefahren. In der letzten Saison haben sie es tatsächlich geschafft, JEDES Spiel zu verlieren. Naja, wenigstens sind sie diese Saison definitiv besser, da sie ja schon ein Spiel gewonnen haben. Ich werde jedenfalls weiter die Daumen drücken. Ein bisschen Lokalpatriotismus muss schließlich sein.

Ansonsten erhole ich mich von ein paar anstrengenden Tagen. Am Freitag hatte ich ein sehr langes und sehr heftiges Seelsorgegespräch. Ein Ehepaar, das ich im Sommer getraut habe hat massive Probleme (... auf die ich hier nicht weiter eingehen kann. Beichtgeheimnis. Aber Du kennst das ja schon, lieber Leser). Die beiden sind übrigens nicht die einzigen. Ein anderes Paar, das ich letztes Jahr getraut habe, hat sich auch schon drei Monate später wieder scheiden lassen. Wenn das so weiter geht, will sich bestimmt bald niemand mehr von mir trauen lassen. Man könnte hier den Eindruck gewinnen, dass meine Eheschließungen unter keinem guten Stern stehen. Oh je.

Am Freitag hatte ich wegen des Regens keinen Internetzugang und musste die "Web" - Arbeiten auf Samstag verschieben. Doch, doch: ich meine das ernst. Immer wenn es hier ordentlich regnet, werden die Leitungen nass, weil sie so schlecht verlegt sind, und dann fällt uns das Internet aus. Und das Telefon. Da sich innerhalb von zwei Tagen ordentlich E-mails ansammeln, hatte ich am Samstag doppelte Arbeit.

Hansen und ich haben dann aber doch noch Zeit gehabt, ins Kino zu gehen und uns den neuen Film von Michael Moore anzusehen: Capitalism - A Love Sory. Es ist schon faszinierend, was in der Politik so hinter den Kulissen passiert, von dem unsereiner nichts mitbekommt. Es gab da eine ganze Menge zu verdauen. Inzwischen haben wir auch eine ganz andere Perspektive, weil wir schon ein paar Jährchen in diesem Land leben. Ich erinnere mich noch daran, als wir uns, bevor wir in die USA umgezogen sind, den Film "Bowling for Columbine" (auch von Michael Moore) angesehen haben: Da schien das alles noch so weit weg zu sein. Die Waffengesetze, geschichtliche Hintergründe und viele andere Dinge waren für uns noch ganz exotisch. Jetzt gehört so etwas zu unserem Alltag. Wenn in "Capitalism" von verzweifelten Familien berichtet wird, deren Häuser zwangsgeräumt werden, dann kann ich ich das sehr gut nachempfinden, weil ich in meiner Gemeinde so etwas hautnah erlebe. Letztes Jahr im Herbst rief jemand im Kirchenbüro an und fragte, ob wir jemanden wüssten, wo betreffende Person mit Familie in einer Garage oder einem Schuppen fuer den Winter unterkommen könnte. Die Familie hatte ihr Haus verloren (plötzliche Arbeitslosigkeit, Kredit nicht mehr bezahlbar, Zwangsräumung) und lebte schon seit einiger Zeit auf der Straße. Tja, und dann stand der Winter vor der Tür. Und der wird hier in Michigan ziemlich kalt mit -20 Grad Celsius.
Unsere Sekretärin musste auch durch eine Zwangsräumung durch. Allerdings haben sie, ihr Mann und ihre kleinen Tochter etwas bezahlbares zur Miete gefunden.
In regelmäßigen Abständen bangen wir mit Freunden und Bekannten, wenn bei General Motors, Ford oder Chrysler mal wieder eine Entlassungswelle ansteht. Ja, die Zeiten in der Detroiter Ecke sind schon nicht leicht. Wie froh und dankbar bin ich doch, dass ich Arbeit habe (auch wenn zur Zeit nur einer von uns Geld verdient), ein Dach über dem Kopf, und etwas zu essen auf dem Tisch. Und es ist auch mal ein Kinobesuch drin oder ein Footballspiel im Fernsehen.

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