Da ich gestern nicht zum Schreiben gekommen bin, hole ich es heute nach.
Ein typischer Sonntag: 5:45 Uhr aufstehen (etwas spaeter als geplant), Hund rauslassen, Kaffe machen, fruehstuecken, Sachen zusammenpacken, und dann um kurz nach sieben losfahren nach South Lyon zum Gottesdienst (etwa eine halbe Stunde Autofahrt von zu Hause). Der Gottesdienst faengt zwar erst um 9:10 Uhr an, aber es muss immer noch eine Menge vorbereitet werden: Kaffee kochen, Soundanlage, Computer und Projektor hochfahren, Abendmahlstisch herrichten, Ringordner mit dem Gottesdienstablauf fuer die Musiker (Worship Team) fertigmachen, nochmal die Predigt durchgehen, und manchmal auch noch die Toiletten saubermachen. Um 8:15 Uhr ist dann Probe mit dem Worship Team.
Gestern waren 21 Leute zum Gottesdienst da, eine ziemlich gute Zahl, wenn man bedenkt, dass wir dort als Kirche noch nichtmal ein Jahr lang existieren.
Dies hier ist unsere "Kirche", in einer Ladenzeile im kleinen Ort South Lyon:
Nach dem Gottesdienst sitzten wir meistens noch gemuetlich bei Kaffee und Keksen zusammen. Danach muss dann wieder alles abgeraeumt / runtergefahren und saubergemacht werden: restliches Abendmahlsbrot entweder aufessen oder and die Voegel verfuettern, Abendmahlswein dort ausgiessen, wo er direkt in die Erde gelangen kann, alle Elektronik ausschalten, abwaschen, Kerzen ausmachen und was sonst noch so anfaellt. Ein bisschen Zeit brauchten wir noch, um das dritte MISEREOR-Hungertuch aufzuhaengen. Die Hungertuecher machen sich richtig gut an den Waenden unserer kleinen Ladenzeile. Inzwischen ist es dort ganz gemuetlich.
So sieht es von innen aus:
Inzwischen haben wir auch etwas mehr Dekoration:
Anschliessend haben wir uns noch mit dem Fuehrungsteam zu einem spaeten Fruestueck getroffen, was aber eher einer Dienstbesprechung gleichkam. Wir haben die Fundraisingpraesentation und Organisatorisches durchgesprochen und anstehende Veranstaltungen geplant.
Dann ging es ab nach Hause.
Auf dem Nachhauseweg sahen wir einen aelteren Herren an einer Strassenkreuzung stehen. Er hatte ein selbstgemachtes Schild in der Hand auf dem es hiess, dass er Krebs hat und um Geld bittet, weil er sich die Behandlung nicht leisten kann. Ich war bewegt von seinem Mut, sich so einfach an die Strasse zu stellen. Das muss schon eine ziemliche Ueberwindung sein. Mein Mann und ich wollten natuerlich gerne helfen, konnten aber das Geld nicht so schnell rauskramen bis die Ampel wieder auf gruen sprang. Wir haben dann aber umgedreht, und ich bin ausgestiegen, um ihm das Geld zu geben. Wir kamen ins Gespraech und der aeltere Herr erzaehlte mir, dass er Hautkrebs und Darmkrebs hat. Die schlechte Wirtschaftslage in Michigan und sein Gesundheitszustand machen es ihm unmoeglich zu arbeiten und ueber den Arbeitgeber krankenversichert zu sein. Eine private Krankenversicherung kann er sich nicht leisten.
Aus eigener Erfahrung wissen wir ja, wie teuer solche Behandlungen sind. Bei meinem Mann war letzten Herbst ein Melanom entdeckt worden, das herausoperiert werden musste. Die ganzen Besuche und Behandlungen beim Hautarzt und dem Krebszentrum der Uniklinik gingen in die zehntausende. Das war fuer uns auch ein ziemlicher Brocken. Wir sind immer noch ueber eine deutsche Krankenversicherung versichert und haben eine sehr hohe Eigenbeteiligung. Aber wenigstens war der Grossteil abgedeckt.
Ich habe dem Mann ein wenig Geld zugesteckt und mit ihm mitten auf der Strassenkreuzung ein Gebet gesprochen, woraufhin er anfing zu weinen. Es war schon ein komisches Gefuehl, im Kollarhemd mitten auf einer Verkehrsinsel zu stehen und zu beten. In Deutschland waere mir das vermutlich nicht passiert. Hier in Amerika habe ich allerdings schon meine eigene Erfahrung gemacht: Ich sass einmal in Traenen aufgeloest auf dem Beifahrersitz unseres Autos, weil mich etwas ziemlich frustriert hatte. Mein Mann und ich wollten eigentlich einkaufen gehen, aber ich war fix und fertig und konnte einfach nicht mit in den Laden. Ploetzlich klopfte es an meiner Fensterscheibe, und eine junge Afroamerikanerin sagte, dass sie mich weinen gesehen hatte und gerne fuer mich beten wuerde. Sie hat dann meine Hand gehalten und besagtes Gebet gesprochen. Zuerst dachte ich: Ach, das ist wieder so typisch hier in Amerika. Und eigentlich wollte ich nur in Ruhe gelassen werden. Aber dann merkte ich, dass sich der Knoten loeste und ich mich tatsaechlich besser fuehlte. Ich weiss nicht ob es das Gebet selbst war oder einfach nur die Tatsache, dass ein voellig fremder Mensch fuer mich da war, als ich es so dringend brauchte.
Ich wuensche einfach nur, ich haette mehr fuer diesen Mann an der Strassenkreuzung tun koennen. Das Schlimmste ist, zu wissen, dass er nicht der einzige ist, dem es so dreckig geht.
Nach dem kleinen Ausflug auf die Verkehrsinsel ging es dann aber wirklich nach Hause, wo ich noch einen Salat fuer die Geburtstagsparty gemacht habe, zu der wir eingeladen waren. Danach habe ich es mir auf dem Sofa gemuetlich gemacht und mir noch die zweite Haelfte des Football-Spiels der Detroit Lions gegen die Minnesota Vikings angesehen. Die Lions haben mal wieder verloren.(Der Quarterback war auch wirklich einfach schlecht.) Zwischendurch bin ich wohl eingenickt und habe so noch einen ungeplanten Mittagsschlaf gemacht.
Abends ging es dann zum Geburtstag einer Freundin. Zum Essen gab es Rippen, Maiskolben, gebackene Kartoffeln und meinen Salat (der nicht so klasse schmeckte, weil ich zu wenig Vinaigrette gemacht hatte). Danach wurden wir Opfer eines Carcassonne-Marathons. Mein Mann und ich spielen das Spiel eigentlich sehr gerne, allerdings ist es schon ziemlich anstrengend, wenn das Ganze mehr als drei Stunden dauert.
Gegen 23:00 Uhr waren wir wieder zu Hause. Wir haben inzwischen gemerkt, dass man hier in Amerika auf Parties nie so lange bleibt, wie wir das aus Deutschland kennen. Ausserdem mussten alle ausser mir am naechsten Tag ja auch wieder arbeiten. Mein Mann und ich haben aber noch den lauen Abend bei uns zu Hause mit einem Bier bzw. einem Glas Rotwein auf der Terrasse genossen. Schliesslich konnten wir ja am naechsten Tag ausschlafen.
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